Martin Rost
Publikationen

OBM-Skizze 1997/10/21-V0.4

Klaus-Peter Kirchdörfer / Martin Rost / Herbert Scheller
- Kontakt: martinDLT.rost@marokiDLT.de (entferne/delete DLT)
- http://www.maroki.de/pub/technology/obm.html


Inhaltsverzeichnis




1 Welches Problem löst obm?

OBM unterstützt als Groupware-Applikation die Arbeit von Projektgruppen, deren Mitgliedern E-Mail zur Verfügung steht und die in technisch und organisatorisch heterogenen Umgebungen hoch-arbeitsteilig zusammenarbeiten möchten (bzw. müssen).

Die anstehende Virtualisierung von Organisationen führt dazu, daß Betriebe und Forschungsinstitutionen zunehmend häufiger darauf angewiesen sind, die von ihnen kontrollierten betrieblichen Grenzen zu übersteigen und für einen begrenzten Zeitraum auf externe Spezialisten zurückzugreifen, ohne dabei die Verwendung bestimmter Programme und Formatstandards voraussetzen zu können. Zudem nimmt im Zuge der Modernisierung der Forschungsinstitutionen die Zahl an Projektgruppen mit frei-assoziierten Mitgliedern zu, die vielfach sehr gut ausgebildet sind, aber nicht in den traditionellen Forschungsinstitutionen arbeiten, und die sich als Gruppe der Entwicklung eines riskant-innovativen Projekts widmen (oder auch nur gemeinsam an einer Dorfchronik schreiben, eine Werbekampagne entwickeln oder eine Schulung durchführen). Heutige PC-Anwender haben dabei ihre Vorlieben für bestimmte Betriebssysteme, Anwendungsprogramme und Netzanschlüsse entwickelt, mit denen sie ihren persönlich optimalen Wirkungsgrad erzielen. Es gilt, die vorhandene technische Infrastruktur und die unterschiedlichen Vorlieben nicht erst einmal zu brechen, um sie dann in der Projektgruppe neu zu standardisieren, sondern sie so weit wie derzeit möglich optimal aufeinander abzustimmen.

Unter diesen Bedingungen ist E-Mail ein besonders geeignetes Kommunikations- und Datentransportmedium. E-Mail ist technisch ausgereift, voraussetzungsarm und kostengünstig. E-Mail kann relativ leicht in bestehende Kommunikationssysteme (Mensch <-> Mensch, Mensch <-> Maschine, Maschine <-> Maschine) eingebunden werden und ist gerade auch im Hinblick auf Verschlüsselbarkeit abschätzbar sicher. Mehr als andere Netzdienste ist E-Mail inzwischen in die gewohnte Arbeitsumgebung kreativer Problemlöser und Spezialisten eingepaßt.

E-Mail gestützte Kooperation ist eine besonders moderne Form arbeitsteiliger Zusammenarbeit. Sie entkoppelt - im Unterschied etwa zu Shared-Editing-Applikationen, bei denen mehrere Autoren mit ihren online-vernetzten PCs gleichzeitig an dem gleichen Dokument schreiben - die Arbeit der Mitglieder nicht nur in räumlicher, sondern weitgehend auch in zeitlicher und, das ist unser besonderes Anliegen, in technischer Hinsicht. Die Integration gelingt dabei durch sozusagen "reine" organisatorische Faktoren wie Konzeptionen, Arbeitspläne, Aktionsmatrizen, Timetables ..., in denen die Ereignisfolgen mehr oder weniger formal festgelegt sind und die zu einem erheblichen Anteil maschinell initiiert, überwacht oder geregelt werden können. Durch diese Art der Digitalisierung (Diskretisierung, Quantifizierung) der Organisation lassen sich flexibel verschiedene Organisationsmodelle fahren, die den verschiedenen Phasen eines Projekts jeweils anpassbar sind. Die Programmierbarkeit verschiedener Kommunikationsmodelle, die den unterschiedlichen Projektphasen angepaßt sind, ist die zentrale konzeptionelle Idee, die hinter der Entwicklung OBMs stand.

Die technische Kernfunktionalität gleicht derjenigen traditioneller Mailserver wie Majordomo oder Listserv. OBM nimmt E-Mails, die die Nutzdaten enthalten, entgegen und liest sie in ein Dateiarchiv ein, auf das alle Arbeitsgruppenmitglieder per E-Mail Zugriff haben. OBM dekodiert beim Hineinstellen der Dateien in das Workgroup-Archiv und encodiert sie beim Abruf des Anwenders entsprechend dessen Voreinstellungen. Das betrifft zum Beispiel die Wahl der Zeichensätze (Unicode, DOS, Latin1 (ISO-8859-1), Macintosh, HTML, LaTeX), der Kompressionsprogramme (pkzip und gzip) und der 7-Bit-Kodierer (base64/mime-attachements, uucode). Auf diese Weise können die Mitglieder weitgehend in der für sie gewohnten Weise mit dem gemeinsamen Datenbestand der Arbeitsgruppe interagieren. Als eine unerläßliche Option für den Datentransfer von Projektgruppen gerade in heterogenen Netzumgebungen erlaubt OBM die transparente Einbindung des Verschlüsselungsprogramms pgp.

(Was praktisch überaus wünschenswert wäre, aber nicht realisierbar ist und deshalb von OBM nicht geleistet werden kann, ist die Übernahme eines universalen Formatwandlers für Textverarbeitungsformate. An diesem ganz zentralen Punkt ist es leider für eine Projektgruppe unumgänglich, daß sie sich auf ein Format einigt. Wenn alle Mitglieder mit dem gleichen Textverarbeitungsprogramm arbeiten, gibt es eine gewisse Chance, daß es beim Weiterbearbeiten einer Datei durch andere Autoren zu keinen Problemen kommt. Allein das weitverbreitete Textverarbeitungsformat wie Winword (und ebenso das extra für den Dateiaustausch vorgesehene RTF) ist aber erfahrungsgemäß nicht einmal zur eigenen Programmfamilie kompatibel. Statt sämtliche Mitglieder auf eine bestimmte Textverarbeitung zu zwingen, raten wir dazu, sich auf eine der etablierten Klartext-Markup-Languages wie HTML, XML, SGML, LaTeX oder UDO zu einigen, weil sie in jeder Textverarbeitung und jedem Editor benutzbar sind.)

Die Dateien im Workgroup-Archiv werden von einer Versionskontrolle verwaltet. Die Versionskontrolle erlaubt, jeden vorausgegangenen Zustand einer Datei wieder herzustellen oder verschiedene Versionen - zugeschnitten etwa auf bestimmte Kunden, Sprachen oder Publikationsmedien - abzuspalten und einzeln zu pflegen. Dieses Sicherheitsmoment verringert das Risiko drastischer Entscheidungen, weil jederzeit wieder auf eine Vorversion zurückgegriffen werden kann.

Die organisatorische Kernfunktionalität von OBM besteht in einem Kollisionsschutz und Warteschlangen-Mechanismus, mit denen der Zugriff auf Dateien geregelt wird. Dadurch ist sichergestellt, daß zwar mehrere Autoren eine Datei zeitgleich einsehen, diese aber nicht zeitgleich bearbeiten und ins Archiv zurückstellen können (in der derzeitigen Ausbaustufe von OBM kann eine Datei nur von einem Bearbeiter zur Zeit verändert werden). Sobald eine Datei ins Archiv zurückgestellt wird, sieht OBM nach, ob ein weiterer Autor die Datei bearbeiten möchte. Der Bearbeiter einer Datei muß eine Bearbeitungsdauer angeben, innerhalb der er sich zum Wiedereinlesen der Datei verpflichtet. Oder dieser Wert ist zuvor in einem Zeitplan durch das Projektmanagement abgesprochen und in einer Aktionsmatrix festgelegt worden. An diesem Punkt setzt das Workflow-Modul von OBM ein.

Das Workflow-Modul überwacht die Einhaltung von Abgabe-Zeitpunkten und schickt beispielsweise in zunehmend kürzeren Abständen automatisch Erinnerungsmails an den Bearbeiter (sowie bei Terminüberschreitungen eine Meldung an die Projektleitung. Gibt es keine Projektleitung, wird die Meldung jedem Mitglied des Teams zugestellt). Das Workflow-Modul sorgt ferner dafür, daß bei besonders gekennzeichneten E-Mails Empfangsbestätigungen zum Nachweis der Kenntnisnahme erfolgen. Bleiben Empfangsbestätigungen aus, werden sie in zunehmend kürzeren Abständen automatisch angefordert. Bis dann wiederum ein voreingestellter Wert in der Aktionsmatrix erreicht ist und die anderen Mitglieder bzw. die Projektleitung davon in Kenntnis gesetzt werden (für die nächste Ausbaustufe ist vorgesehen, daß sich bei Zeitüberschreitungen die Aktionsmatrix je nach Vorgaben automatisch neu justiert). Darüberhinaus erstellt es Statistiken zu Dateibewegungen und Useraktivitäten, um jederzeit auf Abruf Aufschluß über den aktuellen Zustand des Gesamtsystems zu geben.

Ein typischer Umgang mit OBM sieht wie folgt aus:

Ein Arbeitsgruppenmitglied schreibt eine E-Mail, in dessen Text sich die Anweisung "get_file konzept.htm 20m" befindet ("get_file" steht für "Datei abfordern", "konzept.htm" für den Dateinamen und "20m" für "20 Minuten" voraussichtlicher Bearbeitungszeit) und schickt diese an die E-Mail-Adresse des OBM-Servers. Daraufhin erhält das Arbeitsgruppenmitglied die angeforderte Datei zusammen mit der Mitteilung darüber zugestellt, ob die Datei zur Bearbeitung freigegeben ist oder in der zugeschickten Version nicht bearbeitet, sondern nur eingesehen werden darf. Wenn die Datei noch nicht bearbeitet werden darf, weil jemand Anderes das Schreibrecht innehat, wird der Termin genannt, an dem die bearbeitbare Datei voraussichtlich eintreffen wird (und der Andere, der gerade diese Datei bearbeitet, bekommt eine Mail zugeschickt, darüber, daß ein weiterer Interessent diese Datei bearbeiten möchte). Das Arbeitsgruppenmitglied bearbeitet die Datei dann und schickt sie, zusammen mit dem Befehl "put konzeption.htm", per E-Mail wieder in das Dateiarchiv der Arbeitsgruppe zurück.

OBM bietet in der derzeitigen Ausbaustufe drei Workflow- bzw. Kommunikationsmodelle:

  • Modell AllToAll: Die Projektmitglieder bekommen sämtliche organisationellen und technischen Meldungen über Useraktivitäten und Dateibewegungen zugestellt.

  • Modell AllToFew-FewToAll: Nur eine Gruppe innerhalb der Arbeitsgruppe erhält sämtliche technischen und organisationellen Mitteilungen.

  • Modell FewToAll: Mitteilungen werden hierarchisch zugestellt.

Dadurch macht es OBM Projektgruppen möglich, während verschiedener Projektphasen unterschiedliche Daten- und Mitteilungsfluß-Modelle zu benutzen, um dadurch den sich im Projektverlauf ändernden Erwartungen der Mitglieder gerecht zu werden. Wir haben OBM mit Hilfe eines Prototypen von OBM entwickelt. Zu Beginn empfahl sich uns das AllToAll-Modell, um die Vorteile der optimalen Ideenproduktion durch Brainstorming auszunutzen. In der stabilen Zwischenphase, in der die Arbeitsverteilung ausgehandelt war und jeder bevorzugt an seinen Modulen arbeitete und einen Eindruck für die Art des Projektmanagements durch OBM entwickelt hatte, wirkte ein AllToFew-FewToAll-Modell, in dem nur wenige spezifische Kommunikationen stattfanden, sehr viel angenehmer. Für große nichtselbstorganisierte Gruppen mit starker Außenbindung mag dagegen in gewissen Phasen das FewToAll-Modell optimal sein, weil hier realistischerweise auch mit ausgeprägt machtpolitischen und auf die Karriere abzielenden Interessen der Mitglieder zu rechnen ist, die nicht unmittelbar mit einer projektförderlichen Kommunikation einhergehen.


2 Technische Voraussetzungen

Der OBM-Server läuft unter Java, somit steht er auf OS/2-, Unix- und WindowsNT-Plattformen zur Verfügung. Ein Pentium133 mit 32MB ist praxistauglich (OBM wird beständig auch auf einem 486DX33 mit 16MB (unter Linux) getestet). Die Netzprotokollanbindung des OBM-Servers kann sowohl über das Internet-Protokoll TCP/IP als auch über UUCP erfolgen. Es müssen das RCS-Programm und ein SMTP-Server installiert sein. Die Installation des Verschlüsselungsprogramms PGP (Version: 2.6.3) wird empfohlen.