OBM unterstützt als Groupware-Applikation die Arbeit von
Projektgruppen, deren Mitgliedern E-Mail zur Verfügung
steht und die in technisch und organisatorisch heterogenen Umgebungen
hoch-arbeitsteilig zusammenarbeiten möchten (bzw. müssen).
Die anstehende Virtualisierung von Organisationen führt dazu,
daß Betriebe und Forschungsinstitutionen zunehmend häufiger
darauf angewiesen sind, die von ihnen kontrollierten betrieblichen
Grenzen zu übersteigen und für einen begrenzten Zeitraum auf
externe Spezialisten zurückzugreifen, ohne dabei die Verwendung
bestimmter Programme und Formatstandards voraussetzen zu können.
Zudem nimmt im Zuge der Modernisierung der Forschungsinstitutionen die
Zahl an Projektgruppen mit frei-assoziierten Mitgliedern zu, die
vielfach sehr gut ausgebildet sind, aber nicht in den traditionellen
Forschungsinstitutionen arbeiten, und die sich als Gruppe der
Entwicklung eines riskant-innovativen Projekts widmen (oder auch nur
gemeinsam an einer Dorfchronik schreiben, eine Werbekampagne
entwickeln oder eine Schulung durchführen). Heutige PC-Anwender
haben dabei ihre Vorlieben für bestimmte Betriebssysteme,
Anwendungsprogramme und Netzanschlüsse entwickelt, mit denen sie
ihren persönlich optimalen Wirkungsgrad erzielen. Es gilt, die
vorhandene technische Infrastruktur und die unterschiedlichen
Vorlieben nicht erst einmal zu brechen, um sie dann in der
Projektgruppe neu zu standardisieren, sondern sie so weit wie derzeit
möglich optimal aufeinander abzustimmen.
Unter diesen Bedingungen ist E-Mail ein besonders geeignetes
Kommunikations- und Datentransportmedium. E-Mail ist technisch
ausgereift, voraussetzungsarm und kostengünstig. E-Mail kann
relativ leicht in bestehende Kommunikationssysteme (Mensch <->
Mensch, Mensch <-> Maschine, Maschine <-> Maschine)
eingebunden werden und ist gerade auch im Hinblick auf
Verschlüsselbarkeit abschätzbar sicher. Mehr als andere
Netzdienste ist E-Mail inzwischen in die gewohnte Arbeitsumgebung
kreativer Problemlöser und Spezialisten eingepaßt.
E-Mail gestützte Kooperation ist eine besonders moderne Form
arbeitsteiliger Zusammenarbeit. Sie entkoppelt - im Unterschied etwa
zu Shared-Editing-Applikationen, bei denen mehrere Autoren mit ihren
online-vernetzten PCs gleichzeitig an dem gleichen Dokument schreiben
- die Arbeit der Mitglieder nicht nur in räumlicher, sondern
weitgehend auch in zeitlicher und, das ist unser besonderes Anliegen,
in technischer Hinsicht. Die Integration gelingt dabei durch sozusagen
"reine" organisatorische Faktoren wie Konzeptionen,
Arbeitspläne, Aktionsmatrizen, Timetables ..., in denen die
Ereignisfolgen mehr oder weniger formal festgelegt sind und die zu
einem erheblichen Anteil maschinell initiiert, überwacht oder
geregelt werden können. Durch diese Art der Digitalisierung
(Diskretisierung, Quantifizierung) der Organisation lassen sich
flexibel verschiedene Organisationsmodelle fahren, die den
verschiedenen Phasen eines Projekts jeweils anpassbar sind. Die
Programmierbarkeit verschiedener Kommunikationsmodelle, die den
unterschiedlichen Projektphasen angepaßt sind, ist die zentrale
konzeptionelle Idee, die hinter der Entwicklung OBMs stand.
Die technische Kernfunktionalität gleicht derjenigen
traditioneller Mailserver wie Majordomo oder Listserv. OBM nimmt
E-Mails, die die Nutzdaten enthalten, entgegen und liest sie in ein
Dateiarchiv ein, auf das alle Arbeitsgruppenmitglieder per E-Mail
Zugriff haben. OBM dekodiert beim Hineinstellen der Dateien in das
Workgroup-Archiv und encodiert sie beim Abruf des Anwenders
entsprechend dessen Voreinstellungen. Das betrifft zum Beispiel die
Wahl der Zeichensätze (Unicode, DOS, Latin1 (ISO-8859-1),
Macintosh, HTML, LaTeX), der Kompressionsprogramme (pkzip und gzip)
und der 7-Bit-Kodierer (base64/mime-attachements, uucode). Auf diese
Weise können die Mitglieder weitgehend in der für sie
gewohnten Weise mit dem gemeinsamen Datenbestand der Arbeitsgruppe
interagieren. Als eine unerläßliche Option für den
Datentransfer von Projektgruppen gerade in heterogenen Netzumgebungen
erlaubt OBM die transparente Einbindung des
Verschlüsselungsprogramms pgp.
(Was praktisch überaus wünschenswert wäre, aber
nicht realisierbar ist und deshalb von OBM nicht geleistet werden
kann, ist die Übernahme eines universalen Formatwandlers für
Textverarbeitungsformate. An diesem ganz zentralen Punkt ist es leider
für eine Projektgruppe unumgänglich, daß sie sich auf
ein Format einigt. Wenn alle Mitglieder mit dem gleichen
Textverarbeitungsprogramm arbeiten, gibt es eine gewisse Chance,
daß es beim Weiterbearbeiten einer Datei durch andere Autoren zu
keinen Problemen kommt. Allein das weitverbreitete
Textverarbeitungsformat wie Winword (und ebenso das extra für den
Dateiaustausch vorgesehene RTF) ist aber erfahrungsgemäß
nicht einmal zur eigenen Programmfamilie kompatibel. Statt
sämtliche Mitglieder auf eine bestimmte Textverarbeitung zu
zwingen, raten wir dazu, sich auf eine der etablierten
Klartext-Markup-Languages wie HTML, XML, SGML, LaTeX oder UDO zu
einigen, weil sie in jeder Textverarbeitung und jedem Editor benutzbar
sind.)
Die Dateien im Workgroup-Archiv werden von einer Versionskontrolle
verwaltet. Die Versionskontrolle erlaubt, jeden vorausgegangenen
Zustand einer Datei wieder herzustellen oder verschiedene Versionen -
zugeschnitten etwa auf bestimmte Kunden, Sprachen oder
Publikationsmedien - abzuspalten und einzeln zu pflegen. Dieses
Sicherheitsmoment verringert das Risiko drastischer Entscheidungen,
weil jederzeit wieder auf eine Vorversion zurückgegriffen werden
kann.
Die organisatorische Kernfunktionalität von OBM
besteht in einem Kollisionsschutz und Warteschlangen-Mechanismus, mit
denen der Zugriff auf Dateien geregelt wird. Dadurch ist
sichergestellt, daß zwar mehrere Autoren eine Datei zeitgleich
einsehen, diese aber nicht zeitgleich bearbeiten und ins Archiv
zurückstellen können (in der derzeitigen Ausbaustufe von OBM
kann eine Datei nur von einem Bearbeiter zur Zeit verändert
werden). Sobald eine Datei ins Archiv zurückgestellt wird, sieht
OBM nach, ob ein weiterer Autor die Datei bearbeiten möchte. Der
Bearbeiter einer Datei muß eine Bearbeitungsdauer angeben,
innerhalb der er sich zum Wiedereinlesen der Datei verpflichtet. Oder
dieser Wert ist zuvor in einem Zeitplan durch das Projektmanagement
abgesprochen und in einer Aktionsmatrix festgelegt worden. An diesem
Punkt setzt das Workflow-Modul von OBM ein.
Das Workflow-Modul überwacht die Einhaltung von
Abgabe-Zeitpunkten und schickt beispielsweise in zunehmend
kürzeren Abständen automatisch Erinnerungsmails an den
Bearbeiter (sowie bei Terminüberschreitungen eine Meldung an die
Projektleitung. Gibt es keine Projektleitung, wird die Meldung jedem
Mitglied des Teams zugestellt). Das Workflow-Modul sorgt ferner
dafür, daß bei besonders gekennzeichneten E-Mails
Empfangsbestätigungen zum Nachweis der Kenntnisnahme erfolgen.
Bleiben Empfangsbestätigungen aus, werden sie in zunehmend
kürzeren Abständen automatisch angefordert. Bis dann
wiederum ein voreingestellter Wert in der Aktionsmatrix erreicht ist
und die anderen Mitglieder bzw. die Projektleitung davon in Kenntnis
gesetzt werden (für die nächste Ausbaustufe ist vorgesehen,
daß sich bei Zeitüberschreitungen die Aktionsmatrix je nach
Vorgaben automatisch neu justiert). Darüberhinaus erstellt es
Statistiken zu Dateibewegungen und Useraktivitäten, um jederzeit
auf Abruf Aufschluß über den aktuellen Zustand des
Gesamtsystems zu geben.
Ein typischer Umgang mit OBM sieht wie folgt aus:
Ein Arbeitsgruppenmitglied schreibt eine E-Mail, in dessen Text
sich die Anweisung "get_file konzept.htm 20m" befindet
("get_file" steht für "Datei abfordern",
"konzept.htm" für den Dateinamen und "20m"
für "20 Minuten" voraussichtlicher Bearbeitungszeit)
und schickt diese an die E-Mail-Adresse des OBM-Servers. Daraufhin
erhält das Arbeitsgruppenmitglied die angeforderte Datei zusammen
mit der Mitteilung darüber zugestellt, ob die Datei zur
Bearbeitung freigegeben ist oder in der zugeschickten Version nicht
bearbeitet, sondern nur eingesehen werden darf. Wenn die Datei noch
nicht bearbeitet werden darf, weil jemand Anderes das Schreibrecht
innehat, wird der Termin genannt, an dem die bearbeitbare Datei
voraussichtlich eintreffen wird (und der Andere, der gerade diese
Datei bearbeitet, bekommt eine Mail zugeschickt, darüber,
daß ein weiterer Interessent diese Datei bearbeiten
möchte). Das Arbeitsgruppenmitglied bearbeitet die Datei dann und
schickt sie, zusammen mit dem Befehl "put konzeption.htm",
per E-Mail wieder in das Dateiarchiv der Arbeitsgruppe zurück.
OBM bietet in der derzeitigen Ausbaustufe drei Workflow- bzw.
Kommunikationsmodelle:
- Modell AllToAll: Die Projektmitglieder bekommen
sämtliche organisationellen und technischen Meldungen über
Useraktivitäten und Dateibewegungen zugestellt.
- Modell AllToFew-FewToAll: Nur eine Gruppe innerhalb
der Arbeitsgruppe erhält sämtliche technischen und
organisationellen Mitteilungen.
- Modell FewToAll: Mitteilungen werden hierarchisch
zugestellt.
Dadurch macht es OBM Projektgruppen möglich, während
verschiedener Projektphasen unterschiedliche Daten- und
Mitteilungsfluß-Modelle zu benutzen, um dadurch den sich im
Projektverlauf ändernden Erwartungen der Mitglieder gerecht zu
werden. Wir haben OBM mit Hilfe eines Prototypen von OBM entwickelt.
Zu Beginn empfahl sich uns das AllToAll-Modell, um die Vorteile der
optimalen Ideenproduktion durch Brainstorming auszunutzen. In der
stabilen Zwischenphase, in der die Arbeitsverteilung ausgehandelt war
und jeder bevorzugt an seinen Modulen arbeitete und einen Eindruck
für die Art des Projektmanagements durch OBM entwickelt hatte,
wirkte ein AllToFew-FewToAll-Modell, in dem nur wenige spezifische
Kommunikationen stattfanden, sehr viel angenehmer. Für
große nichtselbstorganisierte Gruppen mit starker
Außenbindung mag dagegen in gewissen Phasen das FewToAll-Modell
optimal sein, weil hier realistischerweise auch mit ausgeprägt
machtpolitischen und auf die Karriere abzielenden Interessen der
Mitglieder zu rechnen ist, die nicht unmittelbar mit einer
projektförderlichen Kommunikation einhergehen.
Der OBM-Server läuft unter Java, somit steht er auf OS/2-,
Unix- und WindowsNT-Plattformen zur Verfügung. Ein Pentium133 mit
32MB ist praxistauglich (OBM wird beständig auch auf einem
486DX33 mit 16MB (unter Linux) getestet). Die Netzprotokollanbindung
des OBM-Servers kann sowohl über das Internet-Protokoll TCP/IP
als auch über UUCP erfolgen. Es müssen das RCS-Programm und
ein SMTP-Server installiert sein. Die Installation des
Verschlüsselungsprogramms PGP (Version: 2.6.3) wird empfohlen.
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